Da gibt es doch bestimmte Bereiche unseres Lebens, die wir möglichst versuchen zu vertuschen, weil sie schambehaftet sind. So stellten wir neulich in einem Austausch über Stuhlgang fest, wie befreiend es sein kann, einfach offen damit umzugehen und darüber zu reden. Viel schlimmer nämlich als der Kot an sich, ist unser beschämter Umgang damit. Ein belustigtes Gespräch das von Defäkation über Flatulenzen, Sexualität bis hin zu psychischen Problemen nunmehr philosophisch wurde. Folglich mündeten wir an dem Punkt, an dem es uns unglaublich idiotisch erschien, wie wir Menschen mit Dingen die absolut natürlich sind, einen derart verkrampften Umgang pflegen, und uns so das Leben schwer machen.
Ziemlich sicher kennst du diese Verhaltensweise auch von dir selbst in mindestens einem jener «tabuisierten» Bereiche. Wenn wir in einem solchen ein Unwohlsein verspüren, tendieren
wir häufig dazu, es mit uns selbst auszumachen und uns möglichst nichts anmerken zu lassen. Dies führt langfristig unweigerlich zu Frustration, Perspektivenlosigkeit, und Resignation. Würden
wir offen miteinander reden, eben möglichst enttabuisiert, würde sich so manche eigens errichtete Schranke in Luft auflösen. Einerseits hätten wir die Chance, sie zu revidieren, anderseits
dürften wir ganz sicher feststellen, dass wir nicht alleine sind damit, und profitieren nicht selten auch von Erfahrungswerten und daraus resultierend von möglichen Lösungsansätzen.
Seit sechs Jahren begleite, betreue und berate ich Menschen im beruflichen Kontext. Leider könnte ich ein dickes Buch darüber schreiben, was Stigmatisierung und Tabuisierung
mit vielen von ihnen angerichtet hat. Da ich aber lieber Teil der Lösung als Teil des Problems bin, schreibe ich vorzugsweise darüber, was mit einem solchen Menschen passiert, wenn ihm
der notwendige Raum gewährt - und gehalten! - wird, um einfach zu sein, und sich ganz zu zeigen: Er findet von diesem Fundament ausgehend immer mehr in seine ureigene Kraft, und erfährt Heilung.
Es gibt kaum etwas, das mich immer wieder aufs Neue derart tief berührt, als wenn mir das Privileg zufliesst, solche Prozesse zu begleiten und mitzufühlen.
Es muss aufhören, dass wir aus Scham schweigen und unterdrücken. Ich rufe dazu auf, dich zu öffnen gegenüber allen noch vorhandenen Tabus und Stigmas in dir drin. Gewähre diesen Raum und halte ihn. Für deine Mitmenschen, aber ganz besonders auch für dich selbst. Lasst uns die Hemmschwellen brechen, und über alles reden, was uns bewegt; in unserer Liebesbeziehung, mit unserer Familie, unseren Freunden, unseren Arbeitskollegen, und/oder einer neutralen Fachperson. Ich bin gerne für dich da!