Ungefähr 30% der Kinder leiden zwischen zwei und zwölf Jahren an Wachstumsschmerzen. Sie treten besonders in Ruhephasen auf. Ich erinnere mich daran, wie auch meine Beine ab und an schmerzten. Insbesondere aber auch daran, welche Mühe ich hatte, als plötzlich Haare an anderen Stellen als auf meinem Kopf wuchsen, sich Brüste formten und meine erste Periode eintraf. Unaufhaltsam setzte die Zeit einfach ihre Zeichen an meinem Körper. Irgendwann aber sind die Schmerzen verschwunden, und ich habe mich an den schleichenden Prozess des Erwachsenwerdens gewöhnt. Ich verpuppte mich vom Kind zur jungen Frau wie die Raupe zum Schmetterling.
Wenn ich heute so zurückblicke, war dies meine erste bewusste Erfahrung damit, dass Wachstum uns nicht einfach nur grösser werden lässt, sondern durchaus auch schmerzhaft sein kann. Damals habe ich aber noch nicht wirklich realisiert, dass ich Tag für Tag weiterwachse. Zwar nicht mehr Millimeter für Millimeter, dafür aber Stück für Stück. Als Mensch. Und dass wir alle den gleichen Prozess durchlaufen. Auf ganz unterschiedlichen Wegen, zu verschiedenen Zeiten, aber früher oder später verpuppen wir uns alle. Und zwar immer und immer wieder. Denn im Laufe unseres Lebens erleben wir diverse Wandlungsphasen.
Wachstum geschieht ohne unser Zutun. Manchmal still und leise. Unentwegt (er)fordert es uns dazu aber voll und ganz. Ab und an ist nur Geduld gefragt. Ein andermal ist es Mut. Immer aber ist es das Vertrauen, das uns trägt, und zeitgleich oftmals fehlt. Und fehlt es, regiert die Angst. Dann klammern wir, versuchen verzweifelt festzuhalten, fühlen uns einsam und verloren. In der Schwelle zwischen vorher und nachher wollen wir zwar über uns hinauswachsen, grösser und stärker werden, fürchten aber den freien Fall und das vermeintliche Nichts. Sind wir jedoch im Vertrauen, können wir auf eigenen Beinen stehen bleiben, und unsere Flügel trotzdem ausbreiten.
Eine Raupe wartet auch nicht auf Gesellschaft, bis sie sich verpuppt. Sie fragt nicht nach Erlaubnis, sondern folgt ihrem Urinstink, und verwandelt sich. Für sich alleine. In Ruhephasen, die manchmal schmerzen, klammert sie sich nicht an ihre alte Haut, sondern lässt vertrauensvoll los. Die Haut, ohne die sie niemals fliegen könnte, die sie aber des Fliegens willen dennoch abstreifen muss. Und da denke ich mir, dass jene Metamorphose sich wohl durch unser ganzes Leben erstreckt. Vermutlich sogar noch weit darüber hinaus. Alles verändert seine Form, und findet einen Weg, neu zu entstehen. So gibt es immer ein Bleiben im Gehen. Ein Gewinnen im Verlieren. Ein Neuanfang im Ende.
Wo auch immer du also vielleicht gerade an Wachstumsschmerzen leidest, sei dir gewiss; es geht vorbei. Du verpuppst dich, durchläufst eine weitere Wandlungsphase. Dabei fällt nichts auseinander, es sortiert sich nur neu. Bleib stark, und wachse erhobenen Hauptes über dich hinaus.